call for papers | Scheitern als Mitspieler auf dem Forschungsfeld | Loccum #20

Wenn eine Strategie, ein Plan nicht mehr greift, droht vieles zu scheitern. Scheitern im Sinne von Misslingen raubt oftmals Zeit, Kraft und Verstand. Es lässt die eigene Kompetenz in Frage stellen und kennzeichnet einen Moment der eingeschränkten Sicht, die das Ziel oder den Weg aus den Augen verlieren lässt. Eine Brücke bricht scheinbar zusammen und macht einen Umweg erforderlich – oder muss sie erst wieder errichtet werden, um darüber gehen zu können? Bin ich für diesen außerplanmäßigen Weg, für dieses Abenteuer ausgestattet und bereit? Habe ich hierfür die nötige Kraft und Zeit?

“Scheitern und Gelingen. Ein Mitspieler oder ein Gegenspieler? Zwei Gegenpole oder (Spiel) Partner? Ein Ausnahmezustand oder ein treuer Begleiter? – Das Spielfeld ist mein Forschungsfeld. Eine Rahmung innerhalb derer ich mich strategisch bewege, die ein- und ausschließt und Regeln im Sinne wissenschaftlicher Vorgaben und Methoden inkludiert. Dem Anspruch folgend, möglichst schnell, sicher und gekonnt den Ball ins Tor zu bringen, wird schnell klar, dass ich mir den Weg erst bahnen muss. Dieser ist geprägt von einem Vor- und Rückschreiten. Aber auch von einem verfehlten Zielschuss. Ein solches Spiel braucht Partner – mein Mitspieler heißt Scheitern. Er veranlasst mich umzudenken, zu verwerfen, einen Perspektiv- und Strategiewechsel vorzunehmen und nicht zu verbissen an meinem ursprünglichen Plan festzuhalten. Er verlangt von mir, flexibel zu sein. Den Ball wieder ins Feld zu holen und weiterzumachen. Er lässt mich wachsen. Und ich merke, einen treuen Begleiter gefunden zu haben, auf den ich mich verlassen kann.” (Anette) 

“Erster Versuch gescheitert. Weiter probieren. Andere Lösungen suchen. Vielleicht funktioniert es so mit dem Studiendesign. Zu viele Variablen. Wie bekomme ich den Forschungsgegenstand zu fassen? Wieder flutscht er mir durch die Finger. Zweiter Versuch gescheitert. Ehrlich umdenken. Kill your darlings.” (Christian)

      „Standbein-Spielbein. Forschend tätig sein kann heißen: Ball haben, Ball verlieren, frei schweben, vom Boden entfernen, dann wieder schnell vorwärts kommen, fallen, in den Boden sinken, wieder aufstehen… auch das Sitzen und auf Drittmittel warten ist ein Teil davon, ähnlich dem Warten auf der Bank als Auswechselspieler. Das Spielbein, verantwortlich für den dynamischen Prozess des Vorwärtskommens, des freien Agierens und der Dynamik, gegenüber dem Standbein, zuständig für Halt und Statik, dem Skulpturalen, dem souveränen Stehen im Kontrapost, beide benötigt, um im Gleichgewicht zu bleiben, bedingen einander in der Dynamik der Bewegung und sorgen für Ausgewogenheit und nötige Balance auf dem Forschungsfeld.” (Ivette)

“Resilienz und Scheitern gehen Hand in Hand. Der kleinste Misserfolg kann zur großen Verzweiflung führen und der schlimmste Tiefpunkt kann neue Möglichkeiten eröffnen.” (Sina) 

      “Scheitern, scheitern, besser scheitern.” (Klaudia)

Scheitern ist in allen Phasen des wissenschaftlichen Forschungsprozesses stets Begleiter und dennoch gilt es als Tabu, als unerwünscht, da es Forschende vom Ziel, der finalen Forschungsarbeit, zu entfernen scheint. Wenn Scheitern allerdings gelingt, birgt es die Chance, die eigene Forschung tiefgehend zu reflektieren, Analysen und Interpretationen nochmals aus anderen Perspektiven zu beleuchten. Dazu müssen wir das Scheitern zulassen, es nicht ignorieren, ihm ehrlich gegenübertreten.

Unter dem Themenfeld des Scheiterns als Mitspieler auf dem Forschungsfeld möchten wir uns im 20. autonomen kunstpädagogischen Kolloquium vom 08.09.-10.09.2023 an der Evangelischen Akademie Loccum dem Scheitern als sensiblen (Wende) Punkt und damit dem Spektrum zwischen Misslingen und Gelingen im Forschungsprozess widmen, eine Würdigung geben, einen Platz einräumen.

Formelles

Wir laden dazu ein, den je eigenen (Stand)Punkt im Forschungsprozess in den Blick zu nehmen, um im Rahmen des 20. autonomen kunstpädagogischen Forschungskolloquiums den geschützten Raum zu nutzen und gemeinsam in herantastende, inspirierende, neugierige und kritische Gespräche zu kommen.

Ganz konkret: Ihr habt ein 60-minütiges Zeitfenster, in dem ihr einer Arbeitsgruppe vorstellen könnt, wo ihr gerade steht, ob ganz am Anfang, mittendrin oder kurz vorm Ende. Mit allem, was dazugehört: Fragen, Diskussionen, konstruktive Kritik, Tipps und Tricks. 

Eine explizite thematische Bezugnahme auf den Call hinsichtlich der eigenen Forschungsarbeit ist wünschenswert, aber keine Voraussetzung zur Teilnahme. Als diskussionsbasiertes Kolloquium sind verschiedene Präsentations- und Arbeitsformate willkommen: Workshops, Vorträge, künstlerisch-performative Beiträge, und vieles mehr. 

Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass Loccum auch ein Ort für Fragmentarisches, Unreifes und Nicht-Ausformuliertes ist. Das Kolloquium richtet sich vor allem an Nachwuchswissenschaftler*innen (Promovierende und Post-Docs) aus den Bereichen Kunstpädagogik, Kunsttherapie, Kunsttheorie, Kulturelle Bildung sowie allen benachbarten Fachrichtungen. In der Atmosphäre eines Arbeitstreffens soll das Forschungskolloquium insbesondere die Gelegenheit bieten, mit anderen Nachwuchswissenschaftler*innen auf Augenhöhe zu diskutieren. Auch angehende Promovierende, die noch ganz am Anfang ihres Forschungsvorhabens stehen, sind herzlich willkommen.

Wie könnt ihr teilnehmen?

Wir freuen uns über Beiträge im Umfang von max. 3000 Zeichen inkl. Leerzeichen. Zusendung bis einschließlich 31.Mai 2023 per E-Mail an: forschungskolloquium.loccum@gmail.com

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird das Kolloquium in Präsenz geplant und in der Ev. Akademie Loccum stattfinden. Die Tagungsgebühr wird sich voraussichtlich auf 200,- € pro Person belaufen. Weitere Informationen unter: https://forschungskolloquiumloccum.wordpress.com

Organisationsteam

Sina Hartmann, Maria Hosein-Habibi, Klaudia Kruczek, Christian Römmelt, Anette Steinberg, Ivette Widmann

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