call for papers | o.T. (Subjekt) 12. Kunstpädagogisches Kolloquium

12. Kunstpädagogisches Kolloquium Loccum | Freitag 21. – Sonntag 23. August 2015

Verlängerter Einsendeschluss Mittwoch 27.5.2015, 23.00

call for papers | Kontakt loccum@gmx.net

o.T. (Subjekt)

Loccum 2015 widmet sich dem Subjekt, einem mehrdeutigen Begriffsbehälter, der bisweilen benutzt wird, um Ziel und Gegenstand von Bildung zu beschreiben. Gerade da der Begriff Subjekt nicht mit vorgeblich neutralen Begriffen wie Person oder Individuum gleichgesetzt werden kann, schließt er grundlegende Zusammenhänge und Legitimationen für die kunstpädagogische Praxis und Forschung auf und präzisiert diese.

In der Annahme, auf jemanden zu wirken, jemanden zu bilden, gründet die Herausforderung, dieses Gegenüber als jemanden zu denken, zum Beispiel als zu Bildende*n. Die Begriffe, die die Anderen bezeichnen, konstruieren diese Anderen auch. In der nachdenklichen Rede über das Subjekt ist also weit mehr, z.B. durchaus Institutionskritisches, enthalten als in der sogenannten Subjektorientierung der Didaktik, die oft Schülerorientierung meint. Deswegen möchten wir Subjekt als Analyseperspektive für die Kunstpädagogik ins Spiel bringen. Wie sprechen wir über das, was wir tun? Wie lassen sich die Anderen und die disziplinäre Beziehung zu ihnen fassen?

Historisch betrachtet gingen die Erziehungswissenschaften nie von einem vollständig souveränen und selbstreflexiven Individuum aus, auch im Humanismus war das pädagogische Paradox (Erziehung zur Mündigkeit) bekannt. Das ‚Subjekt’ rückte neu in den Fokus, als kritische Theorien begannen, sich auf Subjektwerdung als eine Doppelbewegung von Ermächtigung und Unterwerfung zu berufen. An der Entstehung individueller und kollektiver Subjekte durch Macht machte sich eine ganze Genealogie der Kritik fest, die psychische und soziale Bedingungen des Lebens/Überlebens in den Blick nimmt und auch – sozusagen mikropolitisch – nach der Bildung von Subjektivität fragt. Daran anschließend wäre zu diskutieren, wieviel ästhetische Selbstbildungserfahrung (Selle) im Kontext institutionell gerahmter und normativer Macht- und Anerkennungsstrukturen möglich ist, in denen die Beteiligten die ihnen zugewiesene Subjektposition nicht wählen, sondern sich nur dazu verhalten können. Inwiefern sind in unserem Feld das Aussehen, der sprachliche Ausdruck, die Fähigkeit, ‚richtig’ zu zeichnen oder ‚kreativ‘ zu agieren kraftvolle Marker und Unterscheidungsmerkmale, die Subjekten zu- oder aberkannt werden können und an denen jene sich bilden? Diese Marker schreiben sich beinahe von selbst weiter fort, und sie speisen sich aus problematischen Vorannahmen bezüglich Geschlecht, Alter, sozialer und ethnischer Herkunft, Rollenbildern, Elternhaus, Kunstbegriff, Bildungsbiographien, ‚Begabung’. An dieser Stelle lohnt es sich zu reflektieren, was die Bedingungen der Anerkennung in unserem Feld sind.

Eine lange Linie feministischer Theorie spürt Fragen von Handlungsfähigkeit und Subversion in Bezug auf die Subjektwerdung nach. Wie könnte das Annehmen einer Subjektposition kritisch in den Blick genommen werden? Wie lässt sich in die Diskussion über ein postsouveränes Subjekt die Frage nach der Prekarität einbringen, wie Butler vorschlägt? Inwiefern produzieren wir gerade im Kontext der Kunstpädagogik kulturelle Differenz(en) und wie begründen wir diese (Mecheril)? Loccum bietet ein Forum, aus der Praxis über die uns begegnenden kunstpädagogischen Subjektivationen zu berichten und damit persönlich und individuell Erlebtes auf seine Abhängigkeit von gesellschaftlichen und institutionellen Verhältnissen zu befragen. Welche Umgebungen können Kunstpädagog*innen bereitstellen, in denen Subjekte ,auskristallisieren’ (Pazzini)?

In Bezug auf konkrete Forschungsvorhaben könnte ein geschärfter Subjektbegriff das Verhältnis zwischen Forschenden und Beforschten auf hierarchisierende Positionierungen, auf Momente der Marginalisierung der Anderen untersuchen helfen (Sattler) und fragen, inwieweit sich diese als ‚einander fremde Subjekte’ gegenüberstehen. Desweiteren können im Kolloquium Forschungsmethoden und -designs auf ihre Eignung befragt werden, Standortgebundenheit und Aspekthaftigkeit mitzudenken. Wie kann Forschung eine sich – in Daten materialisierende – Beziehung zwischen forschenden und beforschten Subjekten differenzierter beschreiben? Was leisten das Intentionale nicht absolut setzende theoretische Ansätze (darunter Existenzialismus, Phänomenologie, Diskursanalyse, Psychoanalyse) in Hinblick auf das Subjekt? Wie ließen sich die Bedingungen und Kontexte von kunstpädagogischer Forschung und Praxis, in Pädagogik und Vermittlung, in die Analyse einbeziehen, ohne sie dadurch weiter festzuschreiben; wie lässt sich die Perspektive des ,undoing’ gewinnen?

Das kunstpädagogische Forschungskolloquium in Loccum möchte eine anregende Diskussion über die verschiedenen Befunde und Zugriffe ermöglichen, die das Subjekt der kunstpädagogischen Forschung und Praxis be-treffen: All subjects welcome.

Teilnehmer_innen: Alle Nachwuchswissenschaftler_innen (Promovierende und Post-Docs) sind herzlich eingeladen, ihre Forschungsarbeiten im Rahmen dieses thematischen Spannungsfeldes in Loccum vorzustellen und in der Gruppe zu diskutieren. Eine explizite Bezugnahme auf das Thema ist jedoch keine obligatorische Voraussetzung für die Teilnahme.

Das Kolloquium beginnt am Freitag, den 21.08. ab 13:30 Uhr und endet am Sonntag, den 23.08.2015 um 15 Uhr.

Kosten pro Person: Die Tagungsgebühr für Übernachtung und Vollpension beträgt maximal 155 € (Nicht-BDKMitglieder) und voraussichtlich maximal 130 € für BDK-Mitglieder (es besteht die Möglichkeit vor Ort dem BDK e.V. beizutreten).

Abstracts im Umfang von ein bis zwei Seiten bis zum 17. Mai 2015 per e-Mail an loccum@gmx.net.

Aktuelle Informationen: https://forschungskolloquiumloccum.wordpress.com/

Literaturhinweise:

Balzer, Nicole: Spuren der Anerkennung. Studien zu einer sozial- und erziehungswissenschaftlichen Kategorie, Wiesbaden: Springer VS, 2014.

Koller, Hans-Christoph; Winfried Marotzki und Olaf Sanders, Hrsg. Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse, Bielefeld: transcript, 2007.

Mecheril, Paul: „Ästhetische Bildung und Kunstpädagogik. Migrationspädagogische Anmerkungen“. In: Kunstunterricht und -vermittlung in der Migrationsgesellschaft, Teil I: Sich irritieren lassen. Art Education Research Nr. 6 / 2012, hrsg. von Carmen Mörsch und Nora Landkammer, http://iae-journal.zhdk.ch/no-6/texte/

Pazzini, Karl-Josef: „Perspektiven für die Kunstpädagogik“. In: BDK-Mitteilungen. 1/2004, S. 1 – 5. http://kunst.erzwiss.uni-hamburg.de/pdfs/perspekt_kupaed.pdf

Ricken, Norbert und Nicole Balzer, Hrsg. Judith Butler: Pädagogische Lektüren. Wiesbaden: Springer VS, 2012.

Sattler, Elisabeth: „Kunst der (Ent-)Subjektivierung. Über aktuelle (Trans-)Formationen von Bildung/Kunst und deren Beiträge zur (Ent-)Subjektivierung.“ In: Westphal, Kristin und Wolf-Andreas Liebert, Hrsg. Gegenwärtigkeit und Fremdheit. Perspektiven der Künste auf Wissenschaft.

Schäfer, Alfred und Christiane Thompson, Hrsg. Anerkennung. Paderborn: Schöningh, 2010.

Subjekt“, in: Wulf, Christoph und Jörg Zirfas, Hrsg. Handbuch Pädagogische Anthropologie. Wiesbaden: Springer VS, 2014.

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